Papiertheater

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Papiertheater sind gebrauchsfähige Miniaturtheater, die als „Ausschneidebogen“ in Deutschland und England zunächst schwarz-weiß später koloriert ungefähr gleichzeitig etwa ab 1810 produziert und gemeinsam mit Textbüchern von gekürzten Stücken verlegt wurden. Diese Ausschneidebogen waren im Biedermeier und der Zeit der Industrialisierung Bestandteil der „Bilderbogenkultur“ des 19. Jahrhunderts.

Vorläufer waren die Papierkrippen und Guckkästen. Sie haben zeitweise in fast keinem Bürgerhaus gefehlt und etwa die Rolle von Fernsehern oder Videospielen gehabt.

Die meisten Papiertheater bestehen aus einem mehr oder weniger prächtigen „Proszenium“ (das feste Portal vor der Szene) als dem Nachbau einer echten, international oder national bekannten Bühne und einem Stoffvorhang. Dahinter sind meist auf Holz aufgezogene Seitenkulissen, die die räumliche Tiefe eines echten Theaters widergeben. Nach hinten wird die Szene durch eine auswechselbare Hauptkulisse (meist auf Karton aufgezogen) abgeschlossen.

Die Figuren wurden auf Stäben von der Seite entsprechend dem Text eingeschoben bzw. entfernt. Es war durch und durch Bildungstheater und eben kein Kasperlestheater.

Ausstellungen

z. B. München:

In der Abteilung Puppentheater und Schaustellerei des Stadtmuseums sind u. a. sechs aufgebaute Papiertheater zu betrachten:

  1. Opera, auf einem industriell in großer Zahl gefertigten Holzkasten steht ein Theater mit einem Holzportal, Frankreich 19. Jhdt. (ca. 60x50x70 cm), mit der passenden Dekoration "Schlossgarten" (Tiefe: Wald, kaschiert auf Sperrholzrahmen). Hersteller Fa. Scholz, Mainz, nach 1888.
  2. Trentsensky 19. Jhdt. (ca. 90x100 cm), Dekoration “Chinesischer Garten“, Hersteller Fa. Scholz, Mainz, um 1870. Mit 11 Figuren der Fa. Engel aus Barbier von Sevillia, Berlin, um 1860.
  3. Portal Téatre Francais, Frankreich. (ca. 60x50x30 cm), Dekoration “Stadtplatz“, Hersteller Fa. Pellegrin, Epinal, um 1890.
  4. Großes Portal, industriell gefertigter Holzkasten. (ca. 60x50x70 cm), Dekoration “Burgzimmer“ (1 kaschierter Bogen, 4 Seitenelemente und 1 Hintergrund. Die Seitenelemente werden auf senkrecht zum Portal stehenden Drähten aufgehängt). Hersteller Fa. Schreiber, Esslingen 1890. Mit 12 Figuren der gleichen Fa. zu Schneewittchen, um 1880.
  5. Kasperltheater, industriell gefertigter Holzkasten der Fa. Chroust, Prag. (ca. 50x90x50 cm), Dekoration “Faustzimmer“ (Studierstube) um 1930. (Dekoriert mit 4 Marionetten von der Fa. Münzberg, ebenfalls in Prag, um 1925)
  6. Portal Quadriga, industriell und individuell gefertigter aufwändiger Holzkasten aus Privatbesitz um 1850 (ca. 40x50x60 cm; Holzkasten Höhe ca. 25 cm), als zugehörige Dekoration ist der "Garten" der Fa. Stange, Berlin, um 1860 (ein Schlossgarten mit Springbrunnen, Tiefe: Felsen auf 6 Seitenelemente kaschiert auf Karton). 4 Spielfiguren kaschiert auf ausgesägtem Sperrholz und Sperrholzschlitten, zu "Kaspers Reise nach China", der Fa. Engel, Berlin, um 1880. Der Bühnenboden hat mittig ein Falltürelement.) zu sehen.

Auch ein Druckstock der Firma J. F. Schreiber für einen Ausschneidebogen ist ausgestellt.

Literatur

  • Günter Böhmer: Ausstellungskatalog der Puppentheatersammlung, Münchner Stadtmuseum; München, 1977
  • Georg Garde: Theatergeschichte im Spiegel der Kindertheater. Eine Studie in populärer Graphik. Kopenhagen, Borgens, 1971. 355 S.
  • Theodor Kohlmann: Das Papiertheater, Führungsblätter des Museums für Deutsche Volkskunde, Berlin, 1976.
  • Pflüger, Kurt; Helmut Herbst: Schreibers Kindertheater, Pinneberg, Renate Raecke, 1986. 212 S. ISBN 3-923909-13-6
  • Reitzle, Annegret: Die Texthefte des Papiertheaters, Ein Beitrag zur Rezeption von populären Theaterstoffen und Kinder- und Jugendliteratur. Dissertation. Stuttgart, Betr. Reinhard Döhl, 1990.
  • Wild, Adolf (Red.): Papiertheater aus dem Verlag Josef Scholz-Mainz. Mainz, 1997 (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek und der Öffentlichen Bücherei Mainz - Anna Seghers; Nr. 51; Begleitheft zu einer Ausstellung im Staatstheater Mainz)

Weblinks