Rosten von Plastikmodellen

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Hier beschreibe ich eine soeben getestete und mit Bildern dokumentierte Methode, mittels einer „chemischen Schablone“ äußerst realistische Verrottungserscheinungen an Kunststoffmodellen nachzubilden.

Auch DEIN Bagger kann so aussehen!
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Baugröße Anspruch Zeitaufwand Kosten
H0 2 2 1

Inhaltsverzeichnis

Benötigte Werkzeuge

  • Skalpell
  • dünner Ausdrück-Dorn
  • Stecknadel
  • Mini-Bohrmaschine mit Micro-Fräser
  • Wäscheklammer
  • feine Spitzzange
  • spitze Pinzette
  • Schlüsselfeilen
  • feines Schmirgelleinen
  • Abtupflappen oder -papier
  • Airbrush
  • feiner Pinsel
  • kurzer Haarpinsel
  • Glashaar-Pinsel (Radierstift)
  • großer Mülleimer, oben offen
  • „heißes Eisen“ (z. B. ein kleiner Schraubendreher + Feuerzeug; ich empfehle ein Benzinfeuerzeug von „Zippo“ oder ähnliches, das man angezündet auf den Tisch stellen kann, so dass man beide Hände für die anstehenden Tätigkeiten frei hat.)

Benötigte Materialien

Der MENCK-Bagger
  • hauchdünnes Alublech (z. B. von Disketten-Verschluss)
  • Polystyrolkleber (z. B. Faller Expert) oder
  • Ethylacetat (siehe wikipedia:de:Essigsäureethylester)
  • Acryl-Farben: Rost, Braun, Grün (matt)
  • Etwas Salz oder Zucker, 1–2 g
  • Airbrushfarben: Weiß, Blau, Sepia
  • ein Kännchen Frischwasser zum Spülen
  • Lack- oder Ölfarbe, schwarz
  • Hartkleber

Objekt der Behandlung ist dieses unbespielte Stück von Wiking: Der MENCK-Bagger in 1:87, Art.-Nr. 897 01 34 in OVP.

Ziel der Übung ist es, diesen Bagger vom fabrikneuen Zustand in einen zu versetzten, der erwartungsgemäß eintritt, wenn der Bagger 35 Jahre schweren Dienst im Steinbruch hinter sich hat, der Steinbruch letztlich aufgelassen und der Bagger dort für die nächsten 20 Jahre vergessen wird. Von dem blanken grauen Werkslack wird also nicht viel zu sehen übrig bleiben.

Vorbereitung

Zerlegen in alle Einzelteile

Die Einzelteile

Das Fahrwerk lässt sich mit einem leisen Plopp abknöpfen. Die Gummigleisketten einfach abziehen.

Mit einer spitzen Zange schieben wir die untere Achse des Auslegers seitlich heraus, dann fällt der Arm ab. In der Mitte des Armes sitzt noch eine kleine Achse, die wir mit einem Dorn heraus drücken können. Der Hauptarm ist nicht verklebt, wenn man die Hälften trennt, fallen die Seilrollen raus.

Also vorher genau ansehen, wie die Seile geführt sind. Die Rolle auf dem kleinen Arm entfernen wir durch vorsichtiges Spreizen des Lagers.

Der Unterboden ist hinten seitlich verklebt. Mit einem scharfen Skalpell kann man die Naht trennen und den Boden herausnehmen. Ich habe dabei versehentlich das Seitenfenster hinten mit abgelöst. Gut so, muss eh raus.

Vorne sind noch der Fahrersitz und der Glaseinsatz geklebt. Auch hier hilft das Skalpell.

Mit einer Pinzette gelingt es, den Knoten im Seil aufzudröseln (es ist tatsächlich nur ein einziges Stück Gummischnur, das im Inneren mit sich selber verknotet ist). Die Halterung für die Umlenkrolle auf dem Dach muss auch mit dem Skalpell gelöst werden.

Durchblick schaffen

Die alte und die neue Tür

Hinter der Fahrerkabine ist eine Leiter, dann kommt die Einstiegstür (Schiebetür), die aber nur leicht erhaben angedeutet ist.

Die Kanten führen das Skalpell sehr gut, mit etwas Geduld und sanfter Gewalt wird die Tür herausgeschnitzt. Vorsicht, der Steg unten wird sehr dünn! Die Tür muss entweder dünn geschliffen oder durch etwas dünneres ersetzt werden und die Laufschienen oben und unten werden wohl ergänzt werden müssen. Ebenso wird der Innenraum noch eine Maschine erhalten. Mal sehen, was die Bastelkiste hergibt.

Oberflächen mattieren

Damit der „alte Bagger“ die Farbe willig annimmt, werden alle Oberflächen mattiert: mit dem feinsten Schmirgelleinen die flachen Bereiche, in Ecken und Falzen kommt der Glasfaser-Radierstift zum Einsatz. Die obere Laufschiene der Schiebetür wird eingeebnet.

Für die neue Tür schneiden wir ein Stückchen Alublech aus einem Disketten-Verschluss zurecht. Das kann dann auch gleich ein Paar Dellen und Beulen bekommen.

Rostfraß vorbereiten

Die dünn gefrästen Stellen
Durchgerostet!

An einigen Stellen wird mit dem Mini-Fräser das Material von der Innenseite her dünn gefräst, so dünn, dass schon Licht durchscheint. Dafür wählen wir Stellen, die im Original nicht massiv sein dürfen, also nicht gerade die Rückfront, die als Kontergewicht meist aus einem massiven Block gegossen wurde (die Buchstaben am Heck sind meist direkt Teil des Gussstückes). Wir fräsen mal etwas aus der zweiten Schiebetür, dahinter an der Unterkante und noch die Unterkante des Führerhäuschens. In die entstandenen Mulden geben wir etwas Polystyrol-Kleber, der das Material anlöst und weich macht. Man kann auch (Achtung: Chemie!) Ethylacetat pur verwenden (aus der Apotheke).

Die dünnen, weich gewordenen Stellen werden mit einer Nadel vorsichtig und unregelmäßig durchstochen. Ruhig ein wenig herumpuhlen, manche Löcher erweitern, Hauptsache nicht zu gleichförmig. Wenn des Klebers Lösewirkung vergangen ist, nochmals glätten und das eine oder andere Loch nachbohren. An diesen Stellen später den Rostton besonders dunkel auftragen!

Mit dem „heißen Eisen“ verpassen wir einigen Stellen noch ein paar Dellen und Beulen. Diese auch wieder etwas glätten, es sollen keine Schmelz-Wülste überstehen.

Aus dem Bodenteil wird noch ein Stück vom Mittelsteg weggenommen, da soll die später sichtbare Maschine angebracht werden.

Glasbruch

Die Gläser sollen der Zeit auch nicht unbeschadet getrotzt haben. Die Windschutzscheibe bekommt einen satten Steinschlag („Ach was, das reparieren wir nicht mehr, nächsten ersten ist hier sowieso der letzte.“).

In einer Ecke kratzen wir mit dem Skalpell einige „Sprünge“ ins Glas, die sternförmig von derselben Stelle ausgehen. Im Zentrum des „Einschlags“ dann mit dem kleinsten Bohrer ein kleines bisschen anbohren. Die Scheibe am Maschinenraum bekommt auch Sprünge, dafür verliert sie gleich eine ganze Ecke.

Zahnbehandlung

Schön abgenutzt, ein Zahn fehlt schon.

Der Baggerlöffel hat gut gepflegte Zähne. (Das ist wichtig, liebe Kinder! Gesunde Zähne sind unverzichtbar für einen gesunden Körper.) Aber hier ist es nicht das richtige. Also erst mal den einen Eckzahn auf die Hälfte abnutzen; ein anderer Zahn wird komplett gezogen. Da, wo er saß, alles glatt feilen und ein winziges Loch bohren. Da saß die Befestigungsschraube. Alle übrigen Zähne etwas rund und stumpf feilen.

Gummikette schweißen

Eine der Gleisketten soll gebrochen sein. Die sind nun aus Gummi, Durchschneiden ist kein Problem. Aber damit sie flach am Boden liegen kann, muss man sie vorsichtig erwärmen, und glatt streichen. Auch die scharfe „Falte“ am Ende erreichen wir mit Wärme: Ein Stichel wird über der Feuerzeugflamme erwärmt, zwischen die zu faltenden Gummilagen gesteckt und sofort wieder heraus gezogen. Pressen. Das angeheizte Gummi verschweißt sich selbst.

Farbbehandlung

Erster Farbauftrag

Alle Oberflächen in Rostbraun, nicht zu gleichmäßig streichen!

Nach dem Versäubern aller Schnitt-, Fräs- und Bruchkanten sowie dem Anbau einer neuen Führungsschiene für die offene Schiebetür steht der erste Farbauftrag an. Wir wählen Revell Aqua Color Rost (83), und dazu eine unbestimmte Menge schwarz (80), weil der „Rost 83“ erfahrungsgemäß zu hell auftrocknet. Mit wenig(!) Sorgfalt etwas vermischt, werden die „durchfressenen“ Partien als erstes und sehr dunkel gestrichen. Ein grober Pinsel tut den Zweck, ab und zu etwas tupfen und die Oberfläche schön uneben werden lassen. Auch in Ecken und Winkeln eher etwas dunkler streichen. Letztlich ist das Baggergehäuse komplett mit Rostbraun überzogen, ebenso alle Anbauteile und das Fahrwerk.

Chemische Schablone

Die Krusten trocknen lassen!
Nach dem zweiten Farbauftrag
Nach der Wäsche zeigt sich der Rost unter dem Lack in ganzer Pracht.

Jetzt kommt wieder die Chemie ins Spiel. Wir verwenden ein kristallines, weißes Pulver, das unter der Bezeichnung NaCl im Handel ist. Diese Substanz ist leicht giftig, sollte also nicht in größeren Mengen verzehrt werden (zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker)!

Man findet sie auch in jeder Küche unter der irreführenden Bezeichnung „Kochsalz“. Zucker soll übrigens ebenso gut funktionieren, könnte aber im weiteren Verlauf der Arbeit reichlich klebrig werden.

Die Kristalle sind leicht wasserlöslich, und das machen wir uns zu Nutze. Mit dem nassen Finger werden die Partien befeuchtet, die später rostig zu sehen sein sollen, also besonders die „angefressenen“ Stellen, untere Karosseriekanten, Ecken, Falze, und auch mal eine glatte Fläche auf dem Dach. Die feuchten Flächen sofort nach Belieben mit dem NaCl bestreuen, das sich sofort etwas anlöst und auf der Rostfarbe kleben bleibt. Bei unserem Objekt verwenden wir reichlich von dem Pulver. Diese Krusten müssen nun gut trocknen.

Zweiter Farbauftrag und Wäsche

Die eingepökelte Karosserie wird nun komplett mit blass-blauer Farbe übersprüht. Allerdings sparen wir das Innere des Baggerlöffels aus. Dort verliert jeder Bagger zuallererst seine Lackierung. Der Farbauftrag darf ruhig wolkig und unsauber werden, das Ding soll schließlich ja alt aussehen. Ich stelle dazu den Kompressor auf 1,8 bis 2 bar. Der blaue Farbnebel ist schnell trocken, den Farbbecher auswaschen und die Düse kurz mit klarem Wasser durchpusten.

Jetzt nehmen wir wieder die frisch lackierten Teile in die Hand, der Druck darf jetzt auf 3 bis 4 bar erhöht werden. Vor uns stellen wir den Mülleimer, den wir mit ein paar alten Zeitungen am Boden auslegen. Mit klarem Wasser aus der Airbrush spülen wir nun die „Pökelkrusten“ ab, die sich im Wasserstrahl leicht lösen oder auflösen. Das ganze Gesabber soll möglichst in den Eimer tropfen. Nach und nach legen wir so die Roststellen unter dem Lack frei. Auch einzelne Körnchen hinterlassen einen winzigen Rostfleck. Wenn man den Wasserstrahl hartnäckig auf eine bestimmte Stelle hält, kann sich auch noch mehr Lack lösen.

Nachdem die Kruste abgespült wurde nur mit dem puren Luftstrom weiterarbeiten und die Werkstücke trocken blasen (auf die Art haben wir gleichzeitig die Pistole gesäubert UND am Objekt weitergearbeitet).

Nachbessern

Mit dem feinen Pinsel noch ein paar Stellen nachbessern, etwa Kanten am Alublech, die blank schimmern. Kontrollieren, ob die Rostfraß-Löcher sich nicht zugesetzt haben, nötigenfalls mit der Nadel nochmal nachbohren.

An ausgewählten Stellen gibt es noch etwas Grünspan: Seegrün (48), mit einem Spritzer Sepia gebrochen oder Bronzegrün (65), an einige Stellen auf dem Dach, in die Fensterritzen, an die Laufschienen. Von da aus kann man dann mit dem farbleeren Pinsel noch ein paar Laufspuren nach unten wischen.

Jetzt können Glasfenster und Steuerpult wieder eingesetzt werden. Dann das Gefährt wieder zusammenbauen. Metallisch blank schimmern jetzt noch die Steckachsen im Baggerarm. Hier darf ein Tüpfchen Schwarz dran: Das Schmierfett trotzt Wetter und Regen. Auch die Seilrolle am Vorder-Gehäuse wird schmutzig-ölig-rost-schwarz.

Den Innenraum haben wir schlicht schwarz ausgemalt, den Motorblock wieder in hellem Rost. Die Aufstiegsleiter nicht vergessen: Zumindest unten ist sie sehr abgenutzt, also heute rostig. Oben darf sie blau bleiben. Auch die Rippen des Lüftungsgitters hinten vertragen noch etwas schwarz.

Die widerspenstige Gleiskette muss noch angeklebt werden. Dazu verwenden wir UHU-Hart und fixieren die Kette bis zum Trocknen mit einer hölzernen Wäscheklammer.

Den Gummifaden, der die Stahlseile darstellt, habe ich hier wieder eingefädelt. Da der Bagger aber bereits im Zustand der letzten Ruhe gezeigt werden soll, muss dann am endgültigen Aufstellort die nötige „Ent-Spannung“ der viel zu straffen Seile vorgenommen werden. Ich stelle mir eher vor, dass die eine oder andere Trosse verrottet, geborsten und schlaff herabhängend sein soll, so dass der ehemals so kraftvolle Löffel nunmehr verendet am Boden ruht. Vielleicht sollte man den Gummifaden durch rostfarbenen Zwirn ersetzen.

Bildergalerie

Das fertig gerostete Modell von links, ...
... schräg hinten ...
... von vorne, ...
... und das ist das Ende.

Weblinks


Diese Bauanleitung wurde geschrieben von HahNullMuehr am 23. November 2014.